Einschränkung der Klagerechte

Tricks der Bundesregierung und Lobbyisten-Forderungen europarechtswidrig

Vorab sei gesagt

„Jede Person, die geltend macht, durch staatliches Handeln in ihren Rechten verletzt zu werden, kann Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Gegen eine Behördenentscheidung ist zunächst der Widerspruch bei der Behörde und gegen einen Widerspruchsbescheid die Klage vor den Verwaltungsgerichten zulässig.“


Es geht um

Die Einhaltung der Aarhus-Konvention – Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie der EU – Stärkung der Rechte der Öffentlichkeit und der Verbände…

Nicht nur bei Gülleeinleitungen in Böden und Gewässer oder Ausweisungen von Naturschutzgebieten stellt sich unsere Regierung taub, regt sich erst nach EuGH-Urteilen und zahlt lieber Millionenstrafen aus dem Steuersäckel, dessen Inhalt wir Steuerzahler erwirtschaftet haben, als sich mit Lobbyisten aus der Landwirtschaft und der Windkraftbranche zu erzürnen. Das ist nicht neu.

Bereits im Winter 2011/2012 wurde im Spezial der Schriftenreihe „Umwelt-Aktuell“ zum EU-Umweltrecht ein EuGH-Urteil vom 12.5.2011 vorgestellt, in dem sich Aussagen der Luxemburger Richter finden, wie:

Dieser Art der „Umsetzung“ klarer europäischer Vorgaben ins deutsche Recht stand von Anfang an die Europarechtswidrigkeit auf die Stirn geschrieben.

Die Bundesregierung achtet ihre eigenen völkerrechtlichen Verpflichtungen, das geltende Recht und auch das Urteil des EuGH nur so weit, wie es ihr gerade passt.

Geändert hat sich das bis heute nicht. Im Gegenteil. Unter dem Druck von Lobbyisten aus der Windkraftbranche basteln Interessenvertreter aus Politik und Windkraft wieder einmal an europarechtswidrigen Gesetzesänderungenzum Klagerecht.
Wir dürfen gespannt sein, ob unsere Regierung wieder einmal jahrelang beklagt werden muss, bis längst verbriefte Rechte der Aarhus-Konvention, des Grundgesetzes etc. eingehalten werden.

Im Interesse von Lobbyisten und Ideologen werden immer aufs Neue die Rechte von Mensch und Natur beschnitten.
Am 22. Juni 2017 machte sich die damalige Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Tötungsverbot nach §45 Abs. 7 S. 1 zu schaffen, um die Lockerung des Tötungsverbotes noch am letzten Tag vor der Sommerpause durchzuwinken.  
Leider auch mit Unterstützung mancher Gerichte wird die Bearbeitung verfassungs-, verwaltungs- und zivilrechtlicher Klagen Monate und Jahre hinausgezögert, bis wieder eine Gesetzesänderung zulasten von Artenvielfalt und Gesundheitsvorsorge verabschiedet ist und damit eine weitere Hürde zum Zeitgewinn für die Realisierung weiterer Windkraft- und andere Projekte zugunsten der Profiteure auf Kosten der Kläger zu schaffen.
JR

Hier ein Ausschnitt aus der Schrift von umwelt aktuell mit hartnäckiger fortgesetzter Gültigkeit:

EU-Umweltrecht

Mehr Klagerechte

Der Europäische Gerichtshof stellt klar, dass Deutschland um das EU-Recht nicht herumlavieren darf.
Umweltverbände haben als Anwälte der Natur lange dafür gekämpft, auch vor Gericht gehen zu können, wenn Gesetze zum Schutz von Umwelt und Natur nicht eingehalten werden.
Dem Versuch der Bundesregierung, die Verbandsklagerechte zu beschneiden, hat der EuGH nun eine Absage erteilt und festgestellt:
Die Aarhus-Konvention und der EU Mindeststandard müssen eingehalten werden.
VON ALEXANDRA TRYJANOWSKI UND MICHAEL ZSCHIESCHE, UFU

Deutschland muss die Klagerechte der Umweltverbände verbessern. Das ergibt sich aus einem Urteil (1) des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 12. Mai 2011. Der EuGH hat darin deutlich gemacht, dass das deutsche Umweltrechtsbehelfsgesetz in seiner jetzigen Fassung die vom Europarecht garantierten Standards verletzt.
[…]

Deutschland trickst beim Zugang zu Gerichten

Die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie der EU, die Garantien aus der AarhusKonvention (siehe Kasten) in das Gemeinschaftsrecht übernahm, sollte eigentlich die Rechte der Öffentlichkeit und auch der Verbände stärken: Sie sollten beim Zugang zu Umweltinformationen, bei der Beteiligung in umweltbezogenen Verfahren und auch beim Zugang zu Gerichten mehr Rechte erhalten, indem die Richtlinie EU-weite Mindeststandards vorschrieb. Auch wenn Deutschland die meisten dieser Standards bereits erfüllte, war das nicht überall der Fall – insbesondere nicht, was die Möglichkeit für Umweltverbände betraf, gegen Rechtsverletzungen gerichtlich vorzugehen.
Die Richtlinie war von der Bundesrepublik Deutschland bis Juni 2005 in nationales Recht umzusetzen. Doch dies geschah mit Verspätung, im Fall des Zugangs zu Gerichten sogar erst im Jahr 2006 mit dem Umweltrechtsbehelfsgesetz. Und obwohl es der Umsetzung der Richtlinie dienen sollte, schränkte das Umweltrechtsbehelfsgesetz den Gerichtszugang für Verbände ein, statt ihn zu erleichtern: Das Gesetz bestimmt seitdem, dass auch Verbände, genau wie Einzelpersonen, wiederum nur die Verletzung subjektiver Rechte rügen dürfen.
Damit wurde die Verbandsklage ausgehebelt, denn diese war ja gerade geschaffen worden, um die Belange des Umweltschutzes unabhängig von der Verletzung der Rechte Einzelner durchzusetzen – im Interesse der Gesellschaft und „um der Natur selbst willen“.

Dass die Bundesregierung zu diesem gesetzgeberischen Trick griff, überraschte dann doch. Nicht, weil die Konstruktion gänzlich neu war, denn Ähnliches hatte im Februar 2006 der Rechtswissenschaftler Thomas von Danwitz in seinem Gutachten auf dem Parlamentarischen Abend der großen Industrieverbände vorgestellt. Sondern, weil dieser Art der „Umsetzung“
klarer europäischer Vorgaben ins deutsche Recht von Anfang an die Europarechtswidrigkeit auf die Stirn geschrieben stand.[…]

Deutschland muss sein Gesetz umschreiben

Nachdem die Generalanwältin des EuGH Eleanor Sharpston schon im Dezember 2010 deutliche Worte zum Umweltrechtsbehelfsgesetz gefunden hatte, die im Detail aufzeigten, dass keines der von Deutschland vorgebrachten Argumente die Einschränkung der Klagerechte rechtfertigen konnte, sprach das EuGH-Urteil selbst ebenfalls eine deutliche Sprache.
Die Luxemburger Richter erinnerten den deutschen Gesetzgeber ausdrücklich daran, dass den Umweltverbänden die Rolle zu ermöglichen sei, die ihnen die AarhusKonvention wie auch die EU-Richtlinie zusprechen: als sachkundige Kontrollinstanz dafür einzutreten, dass die Gesetze zum Schutz der Umwelt nicht nur auf dem Papier stehen.

Die Daten (2) zur Entwicklung der Verbandsklagen in Deutschland in den letztenJahren widerlegen klar die Behauptung, das Instrument der Verbandsklage führe zu einer wilden Klageflut, die Vorhaben generell unmöglich mache oder über Gebühr verzögere.

Es bleibt zu hoffen, dass die Neufassung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes dem Urteil des EuGH wie auch der AarhusKonvention und der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie in Gänze gerecht wird. Ein neuerliches Lavieren um Sinn und Zweck und den Wortlaut der Richtlinie herum, eine „kreativ-restriktive“ Auslegung des Urteils mit dem Ziel, den Gerichtszugang für Umweltverbände auch in Zukunft wo immer möglich einzuschränken, statt ihn in weitem Umfang zu gewähren, stünden der Bundesregierung schlecht zu Gesicht.
Sie würde damit dokumentieren, nach außen wie nach innen, dass sie ihre eigenen völkerrechtlichen Verpflichtungen, das geltende Recht und auch das Urteil des EuGH nur so weit achtet,
wie es ihr gerade passt.

Alles lesen und nutzen!


„Voraussetzung für die Klagemöglichkeit ist, dass die Person geltend machen kann, dass eine behördliche Entscheidung sie in ihren Rechten verletzt. Dies ist beispielsweise gegeben, wenn ein Vorhaben, für das eine Zulassung ausgesprochen wurde, das Eigentum oder die Gesundheit einer Person beeinträchtigt.

Im Umwelt- und Naturschutzrecht gibt es die Besonderheit, dass Umweltverbände Klagen vor Verwaltungsgerichten erheben können ohne in eigenen Rechten betroffen zu sein. Diese so genannte Umweltverbandsklage hat ihre gesetzliche Grundlage im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) und im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) sowie den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen. Voraussetzung dafür ist, dass diese Verbände nach § 3 UmwRG als Umwelt- oder als Naturschutzvereinigungen anerkannt sind. Welche Voraussetzungen für die Anerkennung erfüllt sein müssen und welche Behörde diese erteilt, erfahren Sie auf den Internetseiten des Umweltbundesamtes zur Anerkennung von Umwelt- und Naturschutzvereinigungen.“

Lesen Sie die Ausführungen des Umweltbundesamtes z.B. zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – UmwRG

Hintergrund zur Aarhus-Konvention

Die Aarhus-Konvention ist der erste völkerrechtliche Vertrag, der jeder Person Rechte im Umweltschutz zuschreibt. Er ist nach der dänischen Stadt Aarhus benannt, in der 1998 die Unterzeichnung stattfand. Bisher unterzeichneten 44  Staaten die Konvention. Sie regelt den Zugang zu Umweltinformationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. Die Möglichkeit, Klage gegen Umweltbeeinträchtigungen zu führen, gilt auch im Sinne der Wahrung der Lebensbedingungen künftiger Generationen.
Auch mit Blick auf die Durchsetzung allgemeiner Menschenrechte hat die Aarhus-Konvention eine große Bedeutung. Die Aarhus-Konvention entstand im Rahmen der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) und trat 2001 in Kraft.
www.aarhus-konvention.de