Brennpunkt Artenschutz – Analyse des EuGH-Urteils C-473/19, C-474/19 vom 4. März 2021

wir berichteten https://www.windwahn.com/2021/03/08/eugh-vogelschutz-mit-toetungsverbot-fuer-alle-vogelarten/

Rechtsanwalt Dr. Rico Faller analysiert das Urteil zum Umweltrecht und gibt damit allen Natur- und Artenschützern und den juristischen Vertretern einen schnellen Überblick zu den essentiellen Inhalten an die Hand. Ein Muss für Beschwerdeführer und Kläger in der Auseinandersetzung mit Behörden, Rechtsvertretern und Windkraftprofiteuren.
Mit Dank für diese Unterstützung an Dr. Rico Faller!
JR

EuGH entwickelt Umweltrecht konsequent weiter: Urteil vom 4. März 2021 – C-473/19, C-474/19

Es kommt eher selten vor, dass der EuGH den Schlussanträgen der Generalsanwaltschaft nicht folgt. Umso bemerkenswerter ist das Urteil des EuGH vom 4. März 2021, mit dem die zweite Kammer dem Vorschlag der deutschen Generalanwältin, Juliane Kokott, eine klare Absage erteilt hat.Neben weiteren lesenswerten Hinweisen zur FFH-Richtlinie und zur Vogelschutzrichtlinie hat es der EuGH abgelehnt, die Tatbestände der Tötungs- und Störungsverbote aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur unter Berücksichtigung des Erhaltungszustandes der betroffenen Art auszulegen.Die Entscheidung bietet Vorgaben für die Praxis in den Mitgliedstaaten. In Deutschland dürfte insbesondere die Anwendung und Auslegung von § 44 Abs. 5 BNatSchG in Frage stehen.

https://www.caemmerer-lenz.de/aktuelles-publikationen/karlsruhe/eugh-entwickelt-umweltrecht-konsequent-weiter-urteil-vom-4-maerz-2021-c-47319-c-47419/

Weitere Informationen finden Sie hier.
https://www.caemmerer-lenz.de/fileadmin/080321-CL-EuGH-Urteil_VSR-FFH-RL.pdf

EuGH entwickelt Umweltrecht konsequent weiter

Zum Urteil vom 4. März 2021
– C-473/19, C-474/19 –

von Caemmerer Lenz
RA Dr. Rico Faller
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Zwei Leseproben:

Ob allerdings die strengen Voraussetzungen einer solchen Ausnahmebewilligung nach Art. 16 FFH-RL im jeweiligen Fall gegeben sind, muss kritisch geprüft werden. Im Zusammenhang mit dieser Vorschrift, aber auch im Hinblick auf Art. 9 VSR, hat der EuGH klargestellt, dass die strengen Voraussetzungen der Ausnahmevorschriften restriktiv auszulegen sind und die Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen bei der die Bewilligung erteilenden Institution liegt. Neben weiteren Voraussetzungen ist auch unabdingbar,

  • dass nur eine konkrete und punktuelle Anwendung der jeweiligen Ausnahmevorschrift möglich ist, mit der konkreten Erfordernissen und besonderen Situationen begegnet wird(EuGH Urt. V. 10.10.2019 – C-674/17, BeckRS 2019, 23630 Rn. 41, beck-online), und
  • dass, es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt (EuGH Urt. v. 10.10.2019 –C-674/17, BeckRS 2019, 23630 Rn. 47, beck-online).

Vor allem anhand dieser Voraussetzungen wird deutlich, vor welchen Herausforderungen die deutsche Rechtspraxis steht; vgl. den oben genannten Leitfaden der Europäischen Kommission unter Rn. 41:

„Die Vorschrift, wonach ernsthaft andere Lösungen zu bedenken sind, ist von höchster Bedeutung. Der Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten ist begrenzt, und wenn es eine andere Lösung gibt, müssen die Argumente, wonach diese Lösung nicht„zufriedenstellend“ ist, überzeugend sein. Darüber hinaus kann eine andere Lösung nicht als nicht zufrieden stellend angesehen werden, nur weil sie für die Begünstigten der Ausnahmegenehmigung größere Umstände verursacht oder von ihnen ein anderes Verhalten erfordert.