Zur Erinnerung: BVerwG-Urteil 4 C 2.07 – 10 Jahre alt und dauerhaft aktuell

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES von 2007

URTEIL BVerwG 4 C 2.07

OVG Koblenz – 03.08.2006 – AZ: OVG 1 A 10216/03.OVG –
OVG Rheinland-Pfalz – 07.08.2006 – AZ: OVG 1 A 10216/03

Stichworte:

Windenergieanlage; schädliche Umwelteinwirkungen; TA Lärm; Bindungswirkung; normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift; Messabschlag; schutzbedürftiger Raum; Impulszuschlag; Baugenehmigung; Teilaufhebung.; Anlage; Außenbereich; Baugenehmigung; Betrieb; Bindungswirkung; Geräusch; Immissionsschutz; Impulshaltigkeit; Impulszuschlag; lauter Raum; Messabschlag; Mischnutzung; Nacht; normkonkretisierend; Revisibilität; schutzbedürftiger Raum; Schädlichkeit; Teilaufhebung; Umwelteinwirkung; Verwaltungsvorschrift; Windenergie

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. August 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke für Recht erkannt:

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. August 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

BVerwG 4 C 2.07] vom 29.08.2007

PDF-Download: http://www.bverwg.de/entscheidungen/pdf/290807U4C2.07.0.pdf

Rechtsquellen:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
BImSchG §§ 3, 48
TA Lärm Nr. 6.9, Nr. 2.3, Nr. A.1.3, Nr. 6.8, Nr. A.3.3.6

Leitsätze:

  1. Der TA Lärm vom 26. August 1998 kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG) konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Sie unterliegt als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift der revisionsgerichtlichen Überprüfung.
  2. Die Regelung über den Messabschlag nach Nr. 6.9 TA Lärm ist nicht anzuwenden, wenn auf eine Nachbarklage gegen die Baugenehmigung für eine Windenergieanlage die Lärmimmissionen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Messung ermittelt werden.
  3. Eine Küche, die nicht lediglich der Zubereitung der Mahlzeiten, sondern auch dem sonstigen Aufenthalt der Bewohner dient, ist als schutzbedürftiger Raum im Sinne von Nr. A.1.3 TA Lärm (in Verbindung mit der DIN 4109, Ausgabe November 1989) anzusehen.
  4. Es ist Aufgabe der Tatsachengerichte, zu überprüfen, ob Windenergieanlagen Geräusche hervorrufen, die im Hinblick auf ihre außergewöhnliche Störwirkung die Vergabe eines Impulszuschlags rechtfertigen.
  5. Der Zuschlag für Impulshaltigkeit trägt dem Umstand Rechnung, dass in ihrer Lautstärke kurzzeitig stark zu- und wieder abnehmende Geräusche als deutlich störender empfunden werden, als Geräusche mit weitgehend gleich bleibender Lautstärke. Auslegungsmaßstab ist somit der im Hinblick auf die besonders hohe Pegeländerung außergewöhnliche Grad an Störung, der von den Geräuschen ausgeht. Eine enge Auslegung des Begriffs der Impulshaltigkeit würde diesem Ziel nicht gerecht. Somit ist eine Impulshaltigkeit nicht lediglich in den häufig erwähnten extremen Fällen eines Hammerschlags, Peitschenknalls oder Pistolenschusses anzunehmen.

Leseprobe der Begründung – Letzter Absatz:

[…]
4. Das Oberverwaltungsgericht war auch nicht gehalten, die Baugenehmigung nur insoweit aufzuheben, als der Betrieb bei Nacht erlaubt wird. Zwar können Betriebsbeschränkungen grundsätzlich geeignet sein, schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern. Nachdem die Beigeladene auf eine Anfrage des Gerichts vom 7. Juli 2003 nach der Möglichkeit einer vergleichsweisen Einigung (und Vermeidung hoher Gutachterkosten) geantwortet hatte, eine Nachtabschaltung der Windenergieanlage komme für sie nicht in Betracht, da sie betriebswirtschaftlich betrachtet dem Abbau der Anlage gleich zu setzen sei, bestand jedoch keine Veranlassung, der Frage einer Teilaufhebung der Baugenehmigung weiter nachzugehen. Im Übrigen ist es auch bei Windenergieanlagen grundsätzlich Sache des Bauherrn, näher darzustellen, welches Vorhaben (Errichtung und Betrieb) genehmigt werden soll. Der vorliegende Fall bietet indes keinen Anlass, dies weiter zu vertiefen.
[…]

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