Umweltministerium in Rheinland-Pfalz lässt Leitfaden zu Windrädern von Gutachtern der Privatwirtschaft schreiben

Allgemeine Zeitung

Von Mario Thurnes vor 4 Monaten

Das Land will den Rotmilan vor Windrädern schützen. Dazu lässt es einen Leitfaden schreiben – ausgerechnet von Experten, die sonst für Windkraftunternehmer arbeiten.

 MAINZ – Das rheinland-pfälzische Umweltministerium gibt dezente Hinweise. Sehr dezente Hinweise nur. An einem Leitfaden, wie Rotmilane vor dem Tod in den Rotoren eines Windrads geschützt werden sollen, seien unter anderem Experten wie Matthias Korn oder Thomas Grundwald beteiligt. Hinter ihren Namen folgen in Klammern die Worte „Linden“ beziehungsweise „Bingen“.
Es braucht Vorwissen, um diesen dezenten Hinweis verstehen zu können: „Linden“ steht für das „Büro für faunistische Fachfragen“. Hinter „Bingen“ verbirgt sich das „Büro für Faunistik und Landschaftsökologie“. Experten für Vogelkunde. Zum Thema Windkraft gefragte Fachkräfte also.
Trotzdem sehen andere Experten ein Problem darin, dass diese beiden Büros dem Land zugearbeitet haben. Der Leitfaden hat bindende Wirkung für die Genehmigungsbehörden in den Kommunen. Es geht also um die Frage, ob ein Windrad schnell und ohne großen Auflagen gebaut werden darf – oder am Ende keine Genehmigung erhält.
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„Aus bürgerlicher Sicht ist der Erlass ein politischer Skandal“, sagt Olaf Kiffel. Selber Gutachter in solchen Verfahren. Denn die beteiligten Büros seien, so Kiffel, „hauptberufliche Gutachter der Windindustrie“. Eine Kritik, der sich die Naturschutzinitiative anschließt: „Es handelt sich um ein neues Ermöglichungspapier des Umweltministeriums für die Windlobby und Windindustrie“, sagt deren Vorsitzender, Harry Neumann.

Ministerium: Landesamt hatte Federführung
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 Auf die Frage, ob die beiden Büros eine Nähe zu Unternehmen im Bereich der Windkraft haben, geht das Ministerium indes nicht ein.

Das ist aber auch nicht notwendig. Denn schon einfache Google-Suchen zeigen diese Nähe auf: So findet sich das „Büro für Faunistik und Landschaftsökologie“ häufiger als Gutachter für das rheinhessische Unternehmen Juwi. Etwa beim Windpark „Büchenbronner Höhe“ im Kreis Pforzheim. Oder beim Windpark Schneebergerhof-Windhübel im Donnersbergkreis. Das Büro für faunistische Fachfragen hat etwa für Juwi ein Gutachten für einen Windpark in Prüm erstellt.

Inhaltlich macht sich die Kritik an der Expertise an der Frage fest, wie das Umfeld des Nests geschützt wird. Denn Rotmilane, die Nachwuchs groß ziehen, suchen ihre Beute meist im Sichtfeld ihres Horsts. Folglich gilt für diesen eine Schutzzone: Innerhalb eines Radius von 500 Meter um das Nest eines Rotmilans soll daher kein Windrad gebaut werden.

Dieser Schutzbereich wird auch im Leitfaden nicht angezweifelt. Doch die Rotmilane sind, wenn sie Nachwuchs aufziehen,
in einem Bereich aktiv, der über diese 500 Meter hinaus geht – mitunter 4000 Meter.* Für diesen Fall sieht der Leitfaden eine „Einzelfallbetrachtung“ vor.

Ausnahmen für den Schutz des Nest-Umfelds
In diesen Betrachtungen soll begutachtet werden, wie aktiv Rotmilane sind. Wird ihnen eine niedrigere Aktivität attestiert, dann sei kein „in signifikanter Weise erhöhtes, betriebsbedingtes Tötungsrisiko anzunehmen“. Sprich: Dann könnten in diesem Bereich Windräder genehmigt werden.

Für Kiffel bedeutet das: „Die Windkraftindustrie hat damit eigene, verwässerte Regeln schreiben lassen, die die Landesregierung Rheinland-Pfalz einfach übernommen hat. Ähnliche Fälle kennen wir auf Bundesebene aus der Pharma- und der Auto-Lobby.“ Das sieht auch Neumann so: “„Der eigentliche Sinn des neuen Leitfadens scheint zu sein, nur noch einen 500-Meter-Schutzradius beim Rotmilan zu etablieren, ohne dies explizit zu nennen.

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https://www.allgemeine-zeitung.de/politik/rheinland-pfalz/umweltministerium-in-rheinland-pfalz-lasst-leitfaden-zu-windradern-von-gutachtern-der-privatwirtschaft-schreiben_19035606#

Mit Dank an Tilo für die Info!